Krankenfahrten als Haupteinnahmequelle Brandenburgs

  • Taxifahrer sauer auf AOK


    Für Taxifahrer in dünn besiedelten Regionen Brandenburgs wird die Luft durch erhebliche Umsatzeinbrüche immer dünner. Mitschuld trage die AOK Nordost, sagt Karl-Heinz Kirle vom Taxiverband Berlin/Brandenburg. Grund: Die Kasse weigere sich, einheitliche Verträge für die Fahrten von Patienten im Taxi – sogenannte Krankenfahrten – mit den Unternehmensverbänden abzuschließen.


    Durch Einzelverträge falle es den Unternehmern schwer, ihre Forderungen durchzusetzen. Den rund 800 Taxibetrieben machten vor allem die gestiegenen Kosten für Energie, Instandhaltung sowie Versicherungen für das Personal und die rund 3200 Fahrzeuge zu schaffen.
    Aus Sicht der Kasse sollten die Krankenfahrten nicht die Haupteinnahmequelle im Taxigewerbe sein. „Als größte regionale Krankenkasse übernehmen wir jährlich rund 500.000 Fahrten und damit mehr als die Hälfte aller in Brandenburg anfallenden Krankenfahrten“, sagt der Vize-Sprecher der AOK Nordost, Matthias Gabriel. Damit erzielten einzelne Taxi- und Mietwagenunternehmen einen Großteil ihrer Einnahmen ausschließlich mit Geld der AOK-Beitragszahler.


    Massive Kostensteigerungen seien durch das gesetzlich vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsgebot nicht realisierbar, betonte Gabriel. Außerdem fielen sie zulasten der Beitragszahler aus. Die Kasse habe jedoch zum Januar 2013 die Entgelte für „sitzende Krankenfahrten“ um rund vier Prozent erhöht. Die Verträge mit den rund 820 Unternehmen seien auch einvernehmlich geschlossen worden.


    Bereits vor mehr als zehn Jahren habe die AOK Brandenburg darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Taxi- und Mietwagenunternehmen auf dem freien Markt im Land und Berlin stetig zunimmt, sagte Gabriel. „Als zusätzliche Einnahmequelle können Krankenfahrten gerade nicht das Hauptgeschäftsmodell von Taxiunternehmen darstellen.“


    Die brandenburgische Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) betonte in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, dass die Kasse rechtlich nicht verpflichtet sei, Rahmenverträge abzuschließen. Sie verwies dabei auf die Vertragsautonomie der Kassen. Kommentar und Brandenburg


    "Auf dem Lande, da fährt man nicht Taxi"


    Im Speckgürtel um Berlin kommen Brandenburgs Taxifahrer noch ganz gut über die Runden. Auf dem flachen Land dagegen sieht ihr Verband kaum noch eine Zukunft. Schuld seien gleich mehrere Probleme, sagt der Brandenburg-Beauftragte im Vorstand des Taxiverbands Berlin-Brandenburg, Karl-Heinz Kirle.


    Wie schätzen Sie die Lage von Taxifahrern im Land Brandenburg ein?
    Karl-Heinz Kirle: Im Speckgürtel rund um Berlin läuft das Geschäft noch einigermaßen. Hier in Potsdam haben wir zum Beispiel viele Touristen und Hotels, in denen auch Tagungen und Seminare stattfinden. Da muss öfter mal jemand zum Bahnhof gebracht werden. Das Publikum ist noch recht zahlungskräftig. Aber auf dem Lande, da fährt man nicht Taxi. Bevor dort einer ins Taxi steigt, fragt er lieber einen Nachbarn.


    Wie können sich die Kollegen denn dort über Wasser halten?
    Kirle: Viele Taxiunternehmer leben zu 80 bis 90 Prozent von Krankenfahrten. Für die Kassen ist es oft lukrativer, ein Taxi zu zahlen als Rettungsdienste oder Krankentransporte. Statt 20 Euro für eine Taxifahrt nehmen diese Dienste manchmal gleich mehrere Hundert Euro.


    Und wie schätzen Sie die Zukunftsaussichten der Taxiunternehmen in Brandenburg ein?
    Kirle: Eher schlecht. Wenn der geplante Mindestlohn von 8,50 Euro kommt, werden den viele Unternehmen nicht zahlen können. Jetzt bekommen die Fahrer oft nur fünf Euro pro Stunde und müssen länger als erlaubt arbeiten, um davon leben zu können. Ein großes Problem sind auch die steigenden Kosten für Sprit und Versicherungen. Außerdem weigert sich die AOK Nordost als eine der wichtigsten Kassen, mit den Unternehmerverbänden bislang einheitliche Tarifverträge für die Krankenfahrten abzuschließen. Da hoffen wir noch auf eine Lösung.


    Interview: Anja Sokolow