Das "EU-Taxigewerbe Urteil"

  • Untertitel: Anrechenbare Entgeltbestandteile und Mindestlohn


    Der Begriff Mindestlohn und Mindeslohnsatz als Legaldefinition entstammt der europäischen Entsenderichtlinie 96/71 EG und findet als Verwirklichung der deutschen Gesetzgebung seinen Niederschlag im Arbeitnehmerentsendegesetz. Hieraus abgeleitet findet er sich u.a. wieder in einigen Landesmindestlohngesetzen und seit neuestem im allgemeinen Mindestlohngesetz. Im Unterschied zu den Landesmindestlohngesetzen (Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg) hat der Bund alleine die Gesetzgebungskompetenz für einen allgemeinen Mindestlohn der auch private Unternehmen und Branchen betrifft.


    Der Europäische Gerichtshof hatte in einem Urteil vom 7.11.2013 dem BAG ein paar Formulierungen gegeben, anhand derer zu prüfen ist, wann Vergütungsbestandteile auf einen Mindestlohn anrechenbar sind und auch konkrete Beispiele benannt.


    Im Wesentlichen führte der EUGH aus daß das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der Gegenleistung, die er dafür erhält, auf der anderen Seite, "nicht verändert" werde. Diese Formulierung bezieht sich auf eine erbrachte Regel- oder Normalleistung die zu erbingen und unverändert zu entlohnen ist. Anhand eines Beispiels illustrierte das Gericht sinngemäß 'Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung werde unzulässig verschoben, wenn etwa Überstundenzuschläge bei der Bemessung des Mindestlohns hineingerechnet werden, da diese eine extraordinäre Leistung des Arbeitnehmers honorieren." Mehrarbeit oder "Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen" sei als zusätzliche Leistung auch zu entlohnen.


    Der Mindestlohn ist nicht adäquat dem sogenannten Grundlohn könnte aber leicht verwechselt oder gar zum Nachteil des Arbeitnehmers mißbraucht werden.
    Nach bundesdeutschem Recht sind die prozentualen Zulagen auf Überstunden Leistungszulagen, die auf den Grundlohn gezahlt werden müssen und steuer- und versicherungspflichtig sind. Das Lohnbrutto ist demnach der steuer- und versicherungspflichtige Grundlohn + st.-u.verspfl. Zulagen. Zum Lohnnetto kommen die st.-u.versicherungsfreien Zuschläge hinzu. Beim Mindestlohn wäre via fehlender juristischer Klarstellung oder eindeutiger gesetzlicher Regelung noch ein Grundlohn weit unterhalb der bisherigen Grundlohnberechnung denkbar wenn der willkürlich durch Aufschläge entwertet würde bis grade mal zum "vereinbarten Mindestlohn".


    Grade das Taxigewerbe kennt sich bestens mit dieser Praxis aus!
    Insofern ist grade hier dieses Urteil von besonderer Bedeutung.


    Bei sogenannten Einmalzahlungen wiederum - so der EUGH - ist von den nationalen Gerichten jeweils zu prüfen ob sie in direktem Zusammenhang zur Arbeitsleistung stehen.Im Prinzip betrifft das pauschale Zahlungen die der Arbeitnehmer für etwa besondere Erschwernisse erhält, wie im Taxigewerbe die Stauzulage. Aber nicht jede pauschale Zahlung ist hiermit automatisch anrechenbar. So etwa nicht der pauschale Aufwendungsersatz (Verpflegungsgeld) oder die vermögenswirksamen Leistungen, weil die einem anderen Zweck als der direkten Entlohnung der Arbeit dienen.
    Quasi als Gesamtwürdigung der erbrachten Arbeitsleistung eines ganzen oder teilweisen Arbeitsjahres darf eine pauschale Einmalzahlung wie ein 13. Gehalt den Stundenlohn unterschreiten. Kann dann aber auch keine freiwillige Leistung mehr sein. Müsste dann etwa bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis anteilig ausgezahlt werden.
    Das Gleiche gilt für ein etwaiges auf die Lohnfortzahlung zusätzliches Urlaubsentgelt.
    Eine Entgeltumwandlung zur Altersversorgung wiederum darf zum Mindestlohn gehören und den Stundenlohn senken.


    Fraglich nun wie es sich bei Sonn- Feiertags- und Nachtzuschlägen verhält. Nachtzuschläge sind per Gesetz verpflichtende Zuschläge die zum Bruttolohn hinzukommen und kommen für eine inklusive Berechnung nicht in Betracht, schon weil sie ein besonderer Erschwerniszuschlag sind und somit keine Normalleistung sein können. Bei den S+F-Zuschlägen die zwar auch zur Gruppe der Leistungszuschläge gehören aber freiwillig sind, sieht das schon etwas anders aus. Diese könnten durchaus mit dem Mindestlohn abgegolten sein. Eine Automatik gibt es aber auch hier nicht. Der Grundsatz des EUGH lautete "pauschale Zahlungen des Arbeitsgebers gehören nur dann zum Mindestlohn, wenn damit die Arbeitsleistung vergütet wird. Das ist eigentlich der Fall.
    In einen Tarifvertrag wird geregelt sein müssen ob solche Zuschläge pauschal enthalten sind oder nicht.


    Eines wird hierdurch und die Hilfestellung des Europäischen Gerichtshof einmal mehr klar: Die einseitig übervorteilende und willkürliche Praxis der Inklusivrechnung wie im Taxigewerbe (mit der nun auch andere Branchen mehr zu tun bekommen) ist schlicht Ausbeutung bis kriminell. Die prozentuale Umsatzprovisionsentlohnung/Geldakkord hat de facto große Ähnlichkeit mit einem Mindestlohn. Zumindest einem der beschriebenen ungeregelten Art. Wie auch immer die Einzelheiten eines künftigen ML im Taxigewerbe aussehen wird: Ausreisser der bekannten Art können Taxiunternehmen in Zukunft sehr teuer zu stehen kommen. Bei willkürlichen Inklusiv-Zuschlägen, die nicht mit der EU-Vorgabe oder kommenden BAG-Grundsätzen oder Tarifverträgen übereinstimmen drohen erhebliche Nach- und Strafzahlungen.


    Das Taxigewerbe braucht dringend den Mindestlohn.


    Fiskaltaxameter und Arbeitszeitüberwachung reichen nicht aus um Wettbewerbsgerechtigkeit zu garantieren.