OFFENER BRIEF ZUR LAGE DES HAMBURGER TAXENGEWERBES
Hamburg, den 5.November 2010
Sehr geehrte Frau Hajduk.
Es wird wieder einmal dringend Zeit, mich öffentlich an Sie zu wenden!
Sie sind nun einmal die zuständige Senatorin, die innerhalb der BSU (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt) in Hamburg auch unsere Belange vertritt.
Als Teil des ÖPNVs sind wir, ob wir und Sie das nun wollen oder nicht, Ihrer Behörde zugeordnet, was Sie verantwortlich macht für das, was dort über uns entschieden wird!
Ich hoffe, wir beide sind uns darin einig!
Ich weiß natürlich, daß Ihnen Projekte wie die Stadtbahn mehr am Herzen liegen, als die paar wenigen statuslosen Taxiunternehmer und ihre angestellten Fahrer, aber gerade in den letzten Wochen spitzt sich unsere Lage zu, woran IHRE BEHÖRDE nicht gerade unschuldig ist! Und DAS macht Sie zu meinem oder unserem Ansprechpartner!
Zu allererst kam die Sache mit den neuen 'Tarif', den man nach einhelliger Meinung aller Beteiligten nicht als einen solchen bezeichnen kann! Während den Betreibern von Taxenunternehmen die Kosten weglaufen, versucht man sich dadurch zu helfen, daß allenthalben die Gehälter der angestellten Fahrer gekürzt werden! Während es früher noch in aller Regel 50% der Brutto-Einnahmen waren, die als Brutto-Gehalt an die angestellten Fahrer gingen, so sind das heute nur noch zwischen 38 und 42%! Da gleichzeitig auch noch weniger Menschen Taxifahren, weil sie weniger Geld in der Tasche haben, ergeben sich für unser Gewerbe dramatische Situationen: Die Unternehmer haben kaum noch Gewinne, wenn sie ihre Fahrer ordentlich angemeldet haben, während die Fahrer zwar immer länger arbeiten müssen, trotzdem aber weniger Geld in der Tasche haben!
Eine unser Einnahmemöglichenkeiten ist die BEZAHLTE WARTEZEIT! Seit etwa 10 Jahren stehen wir OHNE EINKOMMEN im Stau! Gerade in diesem Jahr gab es die nie dagewesene Konstellation, daß ALLE Taxiverbände und ALLE ZENTRALEN sich einhellig für DIE ABSCHAFFUNG der Karenzminute, wie wir sie nennen, eingesetzt haben!
Ganz egal, welcher Gruppe die organisierten Unternehmer angehörten, waren sie alle der Überzeugung, daß wir endlich wieder die bezahlte Wartezeit zurückbekommen müssen!
Die Behörde aber in ihrer selbsternannten Vollkommenheit, hat sich mit einiger bemerkenswerter Chuzpe über den Willen des Gewerbes hinweggesetzt , mit der fadenscheinigen Begründung, daß die Tarife 'sozial verträglich' bleiben sollten!
Ob diese FÜR UNS sozial verträglich sind, scheint niemanden bei Ihnen zu interessieren!
Das ist in sofern bemerkenswert, als daß Sie und Ihre Behörde AUCH für das WOHLERGEHEN und die FUNKTIONSTÜCHTIGKEIT des Gewerbes verantwortlich sind!
Diese sogenannte Karenzminute macht immerhin einen EINKOMMENSVERLUST von etwa 15% für uns aus!
Zu allem Überfluß aber wollen Sie, Frau Senatorin, oder Ihre Mitarbeiter in der Behörde, nun auch noch dadurch dem Rest des Gewerbes den Hahn abdrehen, als man urplötzlich unser Gewerbe als Quelle der Ökologie in unserer Stadt entdeckt zu haben glaubt!
Nicht nur, daß man mit mehr als nur obskuren Umweltplaketten hausieren gehen will, die nicht etwa nur modernen Hybridfahrzeugen zugute kommen sollen, sondern auch Uraltkisten, wenn sie denn einen Erdgas oder sonstigen Antrieb haben!
Das ist zwar alles verständlich und sicherlich gut gemeint, wird aber erstens unser Stadt nicht aus seinem Dreck heraushelfen, da die Taxis nur einen vernachlässigbaren Teil des ÖPNVs oder gar der städtischen Verschmutzungsquellen darstellen, wie zB. Ihre Behörden-Fahrzeuge, die in aller Regel nicht gerade spritsparende Karossen sind! Dazu kommen dann noch Verschmutzungen, die zB durch Schiffe, allen voran die Kreuzfahrtschiffe, hervorgerufen werden, wo man nur sehr bedingt den Eindruck gewinnen kann, daß die Behörde ein wirkliches Interesse daran hat, dieses Problem endlich mal in den Griff zu bekommen! Wieviele altmodische Taxen würden Sie brauchen, um den Dreckausstoß nur eines einziges Passagierschiffes zu produzieren? Rechnen wir uns das lieber gar nicht erst aus! Aber die Lobby der Reedereien ist nun mal erheblich stärker, als die unseres Gewerbes!
Sie und Ihre Kollegen setzen sich sicherlich täglich mit Vertretern dieser Wirtschaftszweige zusammen, was bewirkt, daß Sie uns kleine Krauter von der Straße schlicht übersehen. Aber für GRÜNE FEIGENBLATT-AKTIONEN sind wir dann eben doch immer wieder gerne genommen, da wir nicht die Macht haben, uns wirkungsvoll zu wehren, was Ihnen natürlich bewußt ist!
Wie um den Inhalt dieses Briefes zu untermalen, sah ich soeben eine erste Taxe mit einem dicken grünen Punkt auf der Motorhaube: Es handelte sich dabei um einen Mercedes der Baureihe W 210! Also um ein Fahrzeug, das MINDESTENS 10 Jahre auf dem Buckel hat!
Und jetzt kommt dann auch noch ein neuer Angriff, der zum ersten Mal geeignet zu sein scheint, dem Taxengewerbe, so wie wir es kennen, endgültig den Todesstoß zu versetzen: DAS MINI-TAXI!
Die größte Hamburger Taxi-Zentrale plant, zunächst einmal 200 Smarts auf die Straße zu bringen, die nur EINEN FAHRGAST mit wenig Gepäck transportieren zu können! und wenn ich den Zeitungsberichten glauben darf, scheint die Behörde unter dem Totschlag-Lable 'GRÜN' diesem Projekt auch noch ihre Sympathien entgegenzubringen! Zu allem Überfluß scheint man dort auch noch mit einem 'günstigeren' Tarif zu liebäugeln, um diese Wagen für den Kunden attraktiv zu machen!
Das heißt auf Hochdeutsch: Hier soll ein völlig neuer Fahrzeugtyp ALS TAXI zugelassen werden, der nicht nur ALLE GESETZE und VORSCHRIFTEN zur Zulassung eines Fahrzeuges als Taxi bricht, sondern auch ZUM ERSTEN MAL eine Situation schafft, wo es in der gleichen Stadt ZWEI UNTERSCHIEDLICHE TAXENSYSTEME gibt!
Sollten diese Wagen, von denen für's Erste 200 Stück geplant sind, tatsächlich als NORMALE TAXEN zugelassen werden, so besitzen sie natürlich auch alle Rechte, die so ein Auto bisher hatte, aber sie kann NICHT ALLE PFLICHTEN erfüllen! ZB werden durch diese Fahrzeuge Menschen mit Behinderungen, die zB einen Gehwagen benötigen, NICHT auf diese preiswertere Möglichkeit zurückgreifen können! Sie müssen, trotz der Behinderung MEHR für eine Taxe ausgeben, als ein einzelner gesunder Fahrgast! DAS dürfte ein guter Grund sein, dieses System nicht zu erlauben, denn es entspricht nicht den Verpflichtungen eines ÖPNVs!
Außerdem wäre es völlig unangebracht, diesen Wagen ein BESONDERS GRÜNES MÄNTELCHEN umzuhängen! Zunächst einmal sind sie sehr teuer in der Anschaffung und Unterhalt! Sie verbrauchen in der Herstellung prozentual zu ihrer Größe MEHR RESOURCEN und auch nicht wirklich wenig Benzin! Und auch in einer späteres Elektro-Version müßte der Strom ja aus der Steckdose kommen, der immer noch weitestgehend aus Kraftwerken wie Moorburg oder aus Atomkraftwerken kommt!
Schauen wir uns aber einmal die Ökobilanz PRO FAHRGAST an, dann kann und wird dieses Auto nicht nur nicht besser, sondern erheblich schlechter abschneiden, als eine normale Taxe!
Ein Stadtbus zB bringt sehr viel CO2 in die Umwelt, wenn man ihn nur als Fahrzeug alleine sieht! Wenn wir aber diese Emissionen PRO FAHRGAST sehen, dann schneidet er natürlich erheblich besser ab, als ein Privatwagen oder auch eine Taxe!
Und so ähnlich müssen wir das auch im Vergleich zwischen einer Smart-Taxe uund einem 'normalen' Taxi sehen! Ein Smart kann IMMER nur einen einzigen Gast aufnehmen und transportieren! DAS kann eine Standard-Taxe natürlich auch. Aber wir fahren eben auch mal zwei, drei, vier oder gar 8 Personen, je nach Fahrzeugtyp! Und dann wird die Bilanz für die herkömmliche Taxe natürlich erheblich besser, denn der Mehrverbrauch zwischen Smart und zB Mercedes ist nicht wirklich derart groß, um Euphorie aufkommen zu lassen!
Sollte es dennoch zu diesem System kommen, so dürfen die Mini-Taxis ja auch zusammen mit ihren 'großen Kollegen am Taxenstand stehen. So würde es natürlich zwangsläufig dazu kommen, daß viele einzelne Kunden nur mit den Smarts fahren werden, weil diese ein wenig billiger sind. Und DAS nun, liebe Frau Senatorin Hajduk, wird GANZ SICHER dazu führen, daß es schwere Unruhen auf den Plätzen geben wird! Die meisten Fahrer warten oft sehr lange auf eine Fahrt. Wenn dann ein potentieller Kunde kommt, aber nicht nach vorne zur ersten Taxe geht, sondern in einen weiter hinten stehenden Smart steigt, wird das sicherlich nicht zur allgemeinen Zufriedenheit der Fahrerinnen und Fahrer beitragen! GANZ IM GEGENTEIL!
Ich wage mal vorauszusehen, daß es schwere Streitigkeiten geben wird, die zu Verletzungen an Fahrern oder Schäden an Fahrzeugen führen können und wohl auch werden! Der Frust im Gewerbe sitzt jetzt schon tief! Wie soll das erst werden, wenn von Seiten der Regierung unter einer angeblich GRÜNEN FAHNE ein System von DUMPING-TAXEN eingeführt wird, das unser aller Leben auf der Straße radikal verändert könnte!?
Jetzt schon können die Unternehmer ihren ordentlich angemeldeten Fahrern keine ausreichenden Löhne zahlen, von Urlaubsgeld etc. ganz zu schweigen! Die Rentenansprüche gehen selbst nach langjährigem Einzahlen GEGEN NULL! Urlaub ist für viele von uns nur unter höchstem Verzicht auf andere Dinge machbar! Viele der Unternehmer haben schon seit Jahren keinen mehr machen können!
Jetzt aber sollen durch die angeblichen Öko-Taxis die Einnahmen NOCH WEITER REDUZIERT werden!?
Das kann und wird so nicht hingenommen werden KÖNNEN!
Wir arbeiten heute schon zu Stundenlöhnen, die eigentlich in anderen Zweigen der Wirtschaft als SITTENWIDRIG gelten! 5 Euro pro Stunde ist schon recht ordentlich!