Urteil des Arbeitsgerichtes Berlin zur Überwachung von TaxifahrerInnen während Bereitschaftszeiten/ "Pausentaste"

  • Das Arbeitsgericht Berlin hat unlängst ein Urteil gefällt, welches meines Erachtens das Zeug zur bundesweiten Präzendenzwirkung hat. Es ist bislang jedoch nicht rechtskräftig. Es geht um Taxameter, die nach wenigen Minuten Standzeit des Fahrzeugs ohne Fahrgäste automatisch von "frei" auf "Pause" schalten, wenn nicht eine bestimmte Tastenkombination gedrückt wird. Diese Funktion ist in die derzeit gängigen Fiskaltaxameter von semitron und Hale eingebaut. Unternehmen können die Taktfrequenz nach eigenem Gutdünken programmieren aber auch ganz herausnehmen lassen. Oft ist die kürzeste Zeit (3 Minuten) eingestellt.


    In vielen Firmen ist es jedoch unerwünscht, dass FahrerInnen die Taste überhaupt drücken. Somit werden alle Standzeiten , eben gerade auch die Bereitschaftszeiten am Halteplatz, als "Pause" digital erfasst und nach Gutdünken der Firma nicht bezahlt. Ein Kollege klagte gegen diese Praxis und bekam weitgehend recht.
    Ich verlinke hier auf die Seite einer gewerkschaftsnahen Gruppe. Die Betreffenden sind mit der Verlinkung ihrer Veröffentlichung einverstanden. Das Urteil steht auch in anderen Quellen, z.B bei juris.




    Drücken einer Signaltaste im Drei-MinutenTakt zum Belegen der Arbeitsbereitschaft für Taxifahrer nicht zumutbar


    Veröffentlicht am 18. August 201718. August 2017 von Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht
    Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 10.08.2017 – 41 Ca 12115/16 –
    Kontrolle der Arbeitsbereitschaft eines Taxifahrers erfordert keine enge zeitliche Überwachung
    Ein Taxiunternehmen kann von einem bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten Taxifahrer nicht verlangen, während des Wartens auf Fahrgäste alle drei Minuten eine Signaltaste zu drücken, um seine Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren. Dies entschied das Arbeitsgericht Berlin.
    Im zugrunde liegenden Verfahren hatte ein Taxifahrer seinen Arbeitgeber auf Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohns für sogenannte Standzeiten verklagt. Das Taxameter des vom Taxifahrer genutzten Taxis hat die Besonderheit, dass nach einer Standzeit von drei Minuten ein akustisches Signal ertönt. Der Fahrer hat nach dem Ertönen des Signals 10 Sekunden Zeit, eine Taste zu drücken. Drückt er diesen Knopf, wird seine Standzeit vom Taxameter als Arbeitszeit aufgezeichnet. Drückt er den Knopf nicht, wird die darauf folgende Standzeit nicht als Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Pausenzeit erfasst. Der Taxifahrer war der Auffassung, dass ihm das Betätigen der Signaltaste nicht zumutbar und auch nicht immer möglich gewesen sei. Das verklagte Taxiunternehmen war dagegen nur bereit, die vom Zeiterfassungssystem als Arbeits- oder Bereitschaftszeit erfasste Zeit zu vergüten.
    Regelung des Arbeitsgebers bezüglich des Signalknopfes verstößt gegen Bundesdatenschutzgesetz
    Das Arbeitsgericht Berlin gab dem Taxifahrer überwiegend Recht. Standzeiten und sonstige Zeiten, in denen ein Taxifahrer bereit sei, einen Fahrauftrag auszuführen, seien Arbeitsbereitschaft oder jedenfalls Bereitschaftsdienst und deshalb mindestlohnpflichtig. Die vom Taxiunternehmen getroffene Regelung bezüglich des Signalknopfes verstoße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Dieses verbiete eine unverhältnismäßige Erfassung von Daten des Taxifahrers. Das Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitsbereitschaft des Taxifahrers zu kontrollieren, erfordere keine so enge zeitliche Überwachung.
    Gesetzlich vorgeschriebene Ruhepausen müssen eingehalten werden
    Abgewiesen hat das Arbeitsgericht die Klage allerdings im Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen. Der Taxifahrer sei verpflichtet gewesen, diese einzuhalten. Dies sei ihm auch möglich gewesen, da er den Beginn und die Dauer der Ruhepausen selbst bestimmen konnte.